Leserbrief
zum " Jahr des Behinderten"
Wir befinden uns kurz vor der Halbzeit im "Spiel mit dem Jahr
des Behinderten".
Ich bin selbst von Geburt an körperbehindert. Deshalb interessiert
es mich besonders, wie das Leben nach dem "Schlußpfiff am
Spielende" dieses internationalen Jahres weitergeht.
Großartige Veränderungen habe ich jedenfalls bisher noch nicht
feststellen können.
Bis zum Sommer 1981 gehe ich in eine Sonderschule, besonders
gut von nichtbehinderten Mitschülern entfernt. Die Schule
ist so geplant. Daß die Nichtbehinderten dort nicht zur Schule
gehen können. Bevor man uns in die Gesellschaft integrieren
kann, muß man uns schließlich ja auch erst einmal aussondern.
Nach dem Hauptschulabschluß in der Sonderschule geht es dann
mit meiner Integration los.
Für uns Behinderte gibt es da vielfältige Möglichkeiten.
Wir können zum Beispiel in Behindertenwerkstätten integriert
werden. Diese Werkstätten sind so geplant, daß die Nichtbehinderten
dort nicht arbeiten können.
Es gibt auch Rehabilitationszentren, in denen behinderte Menschen
abgesondert sein dürfen.
Ich habe nichts gegen die Nichtbehinderten! Von mir aus müßten
sie nicht von uns Behinderten abgesondert werden.
Schon mancher Nichtbehinderte mußte z.B. nach einem Verkehrsunfall
im Rollstuhl erfahren wie es ist, von der Umwelt plötzlich
"wie ein Idiot" behandelt zu werden.
Deshalb schlage ich vor, Schulen, Werkstätten und Zentren
einzurichten, in denen Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam
leben können.
Selbstverständlich soll dieses gemeinsame Leben auch nach
dem "Spiel des Jahres 1981" stattfinden.
Am Gedankenaustausch mit den Lesern dieses Briefes bin ich
brennend interessiert.
Dieter Schmelz
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